Geplant



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ein Buch



Science Fiction? - Ja, vielleicht!




Einleitung u. Leseprobe siehe unten!


Einleitung

Das hatten wir doch schon. Siebenundzwanzig Jahre alleine auf einer einsamen Insel, weit draußen im Ozean. Also keine ausgesprochen originelle Geschichte, heutzutage. Ist auch kaum mehr vorstellbar, bei GPS und all den Kameraaugen in der Erdumlaufbahn. Echte Abenteuer sind doch nur noch in den unendlichen Weiten des Alls möglich. Der moderne Robinson Crusoe lebt in der Zukunft, weit voraus. Neugierig darauf? Dann gehen sie doch mit auf die Zeitreise und trauen sich den unvermeidlichen Zivilisationssprung zu! Erzählt wird von einer Welt, die, vorsichtig gesagt, paradiesisch wunderbar, aber überhaupt nicht wunderlich dumm, seltsam fantastisch oder komplett unglaubwürdig ist. Außerirdische mit merkwürdig deformierten Köpfen und alles entscheidende galaktische Kriege kommen nicht vor. Versprochen! Die Rede wird sein von den gewöhnlichen und den ungewöhnlichen Dingen des Alltags in 300 Jahren, von Menschen, die uns ganz und gar nicht fern und fremd sind, von Robinson, von dem, was ihn bewegt, was ihn antreibt. Eine abenteuerliche Geschichte also, die in die Zeit passt. Ein Survival-Trip durch das All. Eine Reise bis an den Rand der Milchstrasse. Dabei erfährt er, wer er ist und wer wir waren.



Leseprobe

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Aufbruch ins All


Das Assessment
Aus drei Jahren Peking wurden fünf. Mit jedem Jahr länger, schliffen sich die Arbeitsabläufe tiefer ein. Tagaus tagein Wiederholungen des immer Gleichen. Selbst die ungewöhnlichsten "Feuerwehreinsätze", in welchen Weltgegenden auch immer, wurden mir zur langweiligen Routine. Höchst Zeit also für Veränderung. Ein guter Grund, was Neues anzufangen. Man ließ mich nicht gerne ziehen und versuchte es mit besseren Konditionen. Damit war ich aber nicht zu halten. Ohne zu wissen, was und wohin, brach ich die Zelte ab und packte meine Sachen. Kaum, dass ich mich aus meinem Bekanntenkreis in Peking verabschiedet hatte, kam bereits schon die entscheidende Nachricht. Eine Anfrage, ein verlockendes Angebot, ein neues Projekt. Nichts bleibt unentdeckt im NETZ, auch nicht mein Abgang in Peking. Mein potentiell neuer Arbeitgeber ließ wissen, man sei interessiert an mir. Bei Interesse möchte ich mich doch bitte melden. Den Vorwurf wollte ich mir nicht machen müssen, darauf nicht eingegangen zu sein. Eine Gelegenheit, eine Chance. Kaum gelesen, da wusste ich auch schon, darauf musst du antworten, das musst du tun! Denn es dürfte in der Tat wohl das größte Abenteuer und die größte Herausforderung sein in meinem Leben. Aber ein Hindernis hatte ich noch zu überwinden, die Eignungsprüfung, das Assessment. Auf nach Moskau!

Yaroslavsky Bahnhof. Ein paar freie Stunden blieben mir. Zeit für ein wenig Sightseeing. Die Sehenswürdigkeiten von Moskau im Schnelldurchgang: der Kreml, der Rote Platz, die bunten Zwiebeltürme der Basilius-Kathedrale, die Palast-Architektur der Metro-Bahnhöfe, das Konsumparadies von anno dazumal, das Kaufhaus Gum. An die realen Eindrücke vor Ort kommen selbst die noch so perfekt gemachten virtuellen Besichtigungstouren nicht annähernd heran. Dann stand ich vor der Kommission. Internationales Weltzentrum für Einsatzplanung im All. Ich war hoch motiviert, aber trotzdem missglückte mir mein Auftritt gründlich. Pep, Frische, Selbstsicherheit, Authentizität ... wahrscheinlich von allem zu wenig. Mitten in der Schilderung meines Werdeganges wurde ich vom Vorsitzenden der Jury gestoppt. Darauf war ich nicht vorbereitet: »Wissen wir doch alles. Wie sie gerne gesehen werden wollen, das interessiert uns nicht! Wer sind sie wirklich?« Stattdessen wurde ich danach befragt, welche Gründe mein Vater wohl bewogen hatte, den Namen Kreutznaer abzulegen. Wie ich darüber dachte? Ob ich in meinen beiden Brüdern Vorbilder sähe? Ich wurde aufgefordert, meinen Abgang bei der Kreativ-Schiff-Bewegung noch einmal in allen Einzelheiten zu schildern. Vielleicht waren auch an meiner Unsicherheit und meiner Nervosität die mitlaufenden Kameras nicht ganz unschuldig. Stimmfrequenz, Körpersprache, Lidschlag und Transpiration wurden parallellaufend registriert und analysiert. In dem Moment als ich dachte, jetzt geht es erst richtig los, jetzt werden sie dich in die Mangel nehmen, da wurde das Ganze auch schon abgebrochen. »Danke, das reicht! Sie hören von uns!«
Die Tage darauf verbrachte ich hauptsächlich mit Warten.



Sehr geehrter Hr. Crusoe,

wir bedanken uns für Ihre Bereitschaft und für Ihr Engagement, sich zu bewerben. Wir müssen Ihnen leider mitteilen ...

Mit freundlichen Grüßen



Nach einer ganzen Reihe weiterer Benachrichtigungen, die ich im Voraus formulierte, kam dann das tatsächliche Schreiben.



Sehr geehrter Hr. Crusoe,

hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir uns für Sie entschieden haben.
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Vorbereitung, Training, Seminare und Einsatzzeitpunkt siehe Anlage!

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Mit freundlichen Grüßen



Der Weltraumbahnhof
Auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin wurde mir eine terrestrische Anreise nach Baikonur genehmigt. Schließlich würde ich für eine längere Zeit auf die Erde verzichten müssen. Mein Bedürfnis nach Kommunikation hatte ich bei der Buchung auf der vorgegebenen Skala mit null angegeben. Tatsächlich blieb ich während der gesamten Reisezeit von redseeligen und wissbegierigen Mitreisenden unbehelligt. So kurz vor meinem Aufbruch ins All war mir nicht nach Small Talk zumute.

Die Stadtgebiete von Moskau zogen sich lange hin. Wohnbereiche und Arbeitszonen wechselten sich ab, gingen nahtlos ineinander über. Industriegelände und Naturlandschaften waren eins. Nicht weit hinter der letzten Vorstadtsiedlung nahm der Zug Fahrt auf. Ein absolut fantastischer Trip, schlingerfrei und ohne Störgeräusche. Die einzige Trübung des Reisekomforts stellte sich bei Höchstgeschwindigkeit ein. Wegen der feinen und durchdringenden Schwingungen in den Zugaufbauten verloren die Farben vor der Panoramascheibe an Klarheit, und ein feiner Schleier der Unschärfe legte sich über die russische Landschaft. Waldränder und Waldecken verdeckten die tief stehende Sonne und gaben sie wieder frei. Ein Stakkato von Lichtblitzen prasselte auf mich ein. Die Bahntrasse zielte schnurgerade durch die Erdformationen. Der Horizont war einmal eine schnellfließende Welle und dann wieder eine auf und ab springende Linie. Die Überquerung der Wolga wurde mir angesagt, dann die Ausläufer des Urals. Die Schattierungen der Farbe Grün wechselten in schneller Folge, später die Stufungen von Gelb bis Braun. Nach knapp 2 Stunden Fahrzeit tauchten in der kasachischen Steppe wieder die ersten Inseln der Zivilisation auf. Der Zug verringerte die Geschwindigkeit, bis er mit einem abschließenden und kaum merklichen Ruck sanft zum Stehen kam.

Kein Zwischenfall, kein Ausfall, keine Verspätung. Zwei Assistenten der Kosmodrom-Betriebsgesellschaft nahmen mich in Empfang. Dass ich auf die Minute pünktlich vor Ihnen stand, quittierten sie mit sichtlicher Erleichterung. Bis zu meinem Termin mit dem Kosmodrom-Manager blieb aber noch ausreichend Zeit, und so luden mich die beiden ein zu einer Führung, durch den weltweit größten Abfertigungskomplex für Flüge in den Weltraum. Im Terminal I, der Bereitstellungszone für Reisende innerhalb des Sonnensystems, bahnten wir uns einen Weg durch die Menschenmassen, größtenteils Touristen. Unser Priority Status, kenntlich gemacht durch ein gelbes Farbfeld am Revers, ließ die eng beisammen stehenden Gruppen ohne besondere Aufforderung beiseitetreten und eine Gasse bilden. Einmal die Erde aufgehen sehen, vom Mond aus oder vom Mars. Neuerdings stark nachgefragt, die Wassereisvulkane des Saturnmondes Enceladus. Draußen vor den hallenhohen Fensterwänden starteten und landeten im Sekundentakt Raumfahrzeuge aller Art, Taxen, Busse und Lastencarrier. Hin und wieder erregte ein aufsteigendes Fluggerät für die Ultra-Langstrecke eine gewisse Aufmerksamkeit. Passagiere pro Jahr, Frachtaufkommen, Umsatz, Rendite, alles beeindruckende Zahlen. Im Terminal II ein deutlich reduziertes Passagieraufkommen. Hier sammelten sich die Reisenden zu den benachbarten Sonnensystemen. Scherzende und in angeregte Gespräche vertiefte Grüppchen von Geschäftsleuten und Technikern, zusammengestellt und in Gang gesetzt, zur Erkundung einer dauerhaften Ansiedelung auf Proxima Centauri b. Schließlich erreichten wir das Terminal III. Exclusive Räumlichkeiten, eine VIP-Lounge mit Zugangssperre, eine Bar mit gemütlichen Sitzgruppen und dezenten Raumteilern. Wartezone für "handverlesene" Fernreisende in die wenig bis kaum frequentierten Bereiche der Milchstraße.



Die Verabschiedung
Zur festgesetzten Uhrzeit saß ich im Büro des Kosmodrommanagers. Im gleichen Augenblick, in dem er die jetzt anstehende Arbeitsaufgabe von seinem Datenscreen ablas, wandte er sich mir auch schon zu, und zwar mit einer Aufmerksamkeit und mit einer intensiven Präsenz, die bei mir den Gedanken erst gar nicht aufkommen ließ, er müsse sich einer lästigen Pflicht entledigen. In den Fällen, wie dem meinen, die ja nicht so häufig vorkämen, suche er immer das persönliche Gespräch. Das sei selbstverständlich für ihn. Nicht nur, weil er dazu angehalten sei. Vergnügungsreisende oder Bildungstouristen, die wären ihm auch wichtig. Er sei verantwortlich für den reibungslosen Start zu den gebuchten Reisezielen und für eine sichere Landung, nach erfolgtem Rücktransport. Doch habe er dann und wann auch Weltraumreisende wie mich. Ich hätte mich für eine Aufgabe zur Verfügung gestellt. »Respekt!« Ich möge meine Arbeit doch als die eines Leuchtturmwärters begreifen. Den Vergleich fand er ausgesprochen passend. Ein vor Jahrhunderten ausgestorbener Beruf, als man an den Küstenlinien der Kontinente noch Leuchtfeuer betrieb, als Peilmarke, zur Positionsbestimmung. Soweit sei alles vorbereitet und getan. Jetzt könne ich meinen Dienst antreten, in einem der Leuchtfeuer unserer Tage, um dort nach dem Rechten zu sehen. Eine ehrenvolle Aufgabe. Als letzten Akt werde er in meinem persönlichen Datensatz meine Abwesenheit von der Erde vermerken, wegen der unplausiblen Datenspur, die dadurch entstehe, weil ich ja keine hinterlasse. Eins sei ihm zum Schluss noch besonders wichtig. In Situationen, die ich glauben würde, nicht beherrschen zu können, solle ich nicht davor zurückschrecken, Verbindung mit ihm aufzunehmen. Er sei für mich da. Er fühle sich persönlich verantwortlich für mich. »Wenn sie das so entscheiden, dann holen wir sie da raus!« Bewusst gesuchter Kontakt mit den Augen. Nochmals fester Händedruck: »Machen sie es gut! - Wir sehen uns!«



Der "erste" Countdown
So ein Ausflug in den Weltraum ist heutzutage keine große Sache mehr. Kein ohrenbetäubendes Donnergrollen, kein infernalisch lautes Höllenfeuer, kein gefahrenvoller Ritt auf einem explodierenden Feuerstrahl, dem die Menschen aus sicherer Entfernung gebannt hinterherstarren. Intensive Weltraumeignungstests, olympiareife körperliche Fitness, das war einmal. Einfach nur einsteigen und anschnallen. Die Technik verbirgt sich hinter Verkleidungen mit elegantem Design und übernimmt unauffällig und perfekt die kompliziertesten Aufgaben. Maximaler Komfort bei minimalem Bedienungsaufwand. Es funktioniert einfach. Das passiert tausend Mal am Tag. Die mentale und physische Belastung hält sich in Grenzen. Nur im Bereich der Erdanziehung legt sich eine ungewohnt bleierne Schwere auf den Körper. Selbst mit modernster Antriebstechnik sind die Gesetzte der Physik nicht ganz zu überwinden. Aber dann war es auch schon überstanden. Alles ging sehr schnell. Eine ungewöhnliche Ruhe stellte sich ein. Nicht mal das leiseste Ruckeln. Schwerelosigkeit. In dieser Phase des Aufstiegs schwenkt die große Masse der Fluggäste bereits in den Orbit ein und verteilt sich auf die zahlreichen Aussichtsterrassen. 16 Sonnenauf- und 16 Sonnenuntergänge am Tag, in 400 Kilometern Höhe. Ein Ereignis mit einer magischen Anziehungskraft. Zum Abschied war für mich allerdings keine einzige Erdumrundung vorgesehen, mit Absicht vermutlich. Nur kein wehmütiger Blick zurück. Stattdessen zielte mein Raumschiff geradewegs hinaus in die Schwärze des Alls.